Arizona
Endlich in Arizona! (Warum eigentlich endlich?) Beim gemütlichen Tempo mit dem Wohnwagen habe ich Zeit, die Landschaft zu betrachten. Meilenweit Wildnis zu beiden Seiten der Straße, umgestürzte, entwurzelte, bizarr verwitterte Bäume. Ich schaue nur, denke gar nicht ans Fotografieren, mache aber eine Bemerkung, dass mir die Landschaft gefällt. Bei nächster Gelegenheit bleiben sie stehen, damit ich ein Bild machen kann. Der Standpunkt ist natürlich nicht besonders gut und ich mag es nicht, unter Zeitdruck zu fotografieren – alle warten im Auto -, mache aber trotzdem zwei Fotos.
Wir besuchen auch Petrified Forest und Painted Desert und stelle dabei fest, dass es zu unserem Tourist-Sein noch eine Steigerung gibt: Ein Auto stoppt, die Frau springt heraus und macht ein Foto. Mann und Kind bleiben im Auto, das aber so geparkt ist, dass sie von der Sehenswürdigkeit gar nichts sehen können.
Von Holbrook weg bekomme ich einen Ride von einer Frau, die mit ihren Kindern in einem alten VW Bus unterwegs ist. Sie teilen Essen und Trinken mit mir und macht einen Umweg um mich in den Zion National Park in Utah zu bringen. Ich zahle die $2 Einfahrtsgebühr für das Auto und sie schenkt mir beim Abschied ihre Trainingsjacke, „denn es kann in der Nacht kalt sein“. Bin noch etwa eine Meile zu einem Aussichtspunkt aufgestiegen und habe mich dort trotz neuer Jacke in der Nacht ordentlich verkühlt.
Grand Canyon
Über Pink Sands zum North Rim des Grand Canyon, noch eine kalte Nacht, diesmal auf einem Campingplatz. Marcel und Steve getroffen. Großes Erstaunen, als Steve mit ein paar Israelis Hebräisch spricht. Er erklärt uns, dass er gar kein richtiger Jude sei, er habe schon alle gängigen Religionsgemeinschaften ausprobiert. Religionstester quasi.
Ich nehme mit Marcel den North Kaibab Trail in Angriff, allerdings gehen wir erst zu Mittag weg und machen unterwegs wegen der Hitze zwei ausgiebige Pausen. Es sind nur 14 Meilen (23 Km), aber es geht rund 1.800 Höhenmeter hinab, wir sind in Sandalen unterwegs und es hat Spitzentemperaturen von 115-120° Fahrenheit (46-48° C). Zum Schluss, wir kommen bei Sonnenuntergang bei der Phantom Ranch an, habe ich das Gefühl, dass ich die Füße kaum mehr heben kann. Am Campingplatz lerne ich einen Österreicher kennen, der mich gleich nach der Fluglinie fragt, mit der ich in die USA gekommen bin. Es ist leider Montana Air, die in der Zwischenzeit Konkurs anmelden musste. Ich muss mich um ein neues Rückflugticket umsehen. Shit happens!
Aufstieg aus dem Grand Canyon auf der Südseite über den South Kaibab Trail. Während wir am North Rim fast alleine unterwegs waren, herrscht hier sehr reger Betrieb an Wanderern und Maultieren, die weniger fitte Besucher auf dem Rücken hinauftragen, immer wieder höre ich Deutsch. In Flagstaff gehe ich mit anderen Burschen auf Zimmersuche, schließlich teilen wir uns zu sechst einen Raum ($4,35 für jeden). Die letzten $50 gewechselt, leiste mir ein (mittelmässiges) mexikanisches Abendessen.
Bei meinem Anruf bei der Österreichischen Botschaft wird der Fall Montana Air bestätigt, ich muss für den Rückflug mindestens $244 aufzahlen. In der örtlichen Jugendherberge erfolglos um Arbeit gefragt.
Alter Schwede!
In Flagstaff hält ein großer, grauer Chrysler Imperial mit zwei Männern darin. Den Fahrer schätze ich auf Mitte Dreißig, der Beifahrer ist ein alter Mann. Er ist es aber, der mich fragt, wo ich hin möchte. Richtung Kalifornien passt, da sein Ziel San Diego sei. Die nächste Frage ist, ob ich Autofahren könne. Ich bejahe und dann darf ich einsteigen. Der alte Mann – nur er spricht – erklärt mir, dass er einen neuen Fahrer suche, da der aktuelle bald zu Hause sei. Ob ich mir zutraue, mit dem Wagen weiterzufahren? Natürlich tue ich das und so wechsle ich gleich ans Steuer. Das Auto ist groß, aber auch die Straßen sind breit und an die Automatik gewöhne ich mich rasch.
Mein neuer Chef verspricht keinen Lohn, sondern nur Kost und Quartier, allerdings macht er Andeutungen, die mich auf Großzügigkeit hoffen lassen. Er ist groß und hager und stellt sich als Ernest Wiberg vor, seine Eltern seien aus Schweden in die USA immigriert. Ich bemerke, dass er trotz seiner Größe und vor allem seines selbstbewussten Auftretens körperlich gebrechlich ist und wir müssen ihn immer wieder im Sitz aufrichten, da er auf die Seite rutscht. Er sei 94 Jahre alt, habe Multiple Sklerose und komme gerade aus Chicago, wo er im Krankenhaus war. Er arbeite für die amerikanische Regierung, kenne Gott und die Welt du haut recht auf den Putz. Jedenfalls verfügt er über ein größeres Wissen als die meisten Amerikaner, denen ich bisher begegnet bin. Im Auto beginnt es zu stinken und ich merke, dass er sich angepisst hat. Das kann ja heiter werden.
Wir bringen seinen bisherigen Fahrer noch nach Hause, es sind etwa 20 Meilen Umweg, und der alte Mann beginnt in dieser Zeit noch, ihn zu beschuldigen, dass er schlechtes und zu teures Benzin getankt hätte. Auf der Rückfahrt erklärt er mir, dass sein Chauffeur die Heimfahrt eigentlich selbst hätte bezahlen müssen – nachdem dieser Mann zwei Wochen lang praktisch unentgeltlich für ihn da war! In diesem Augenblick beschließe ich, am nächsten Tag abzuhauen.
Es folgt ein anstrengender Abend in Phoenix. Ich muss ihn wie ein Kind ausziehen, waschen und ihn dabei noch öfters vor dem Hinfallen bewahren. Fortbewegen kann er sich nur mit einer Gehhilfe, allein ist er hilflos. Danach fahren wir zum Abendessen und ich halte mich dabei nicht zurück, er ermuntert mich sogar, zuzulangen. Ernest selbst isst allerdings nur Crackers mit Butter und dazu trinkt er Unmengen von Kaffee. Ich bin mir nicht sicher, ob er einfach nicht mehr mag oder ob es aus Geiz ist. Er, „der Schwede“, ist der eingefleischteste amerikanische Nationalist, dem ich jemals begegnet bin und auch mit seinen sonstigen Ansichten bringt er mich auf die Palme. Wir diskutieren teilweise recht lautstark. Auch der Bedienung gegenüber benimmt er sich nicht sehr fein, ist unfreundlich und behandelt sie von oben herab. Schließlich gebe ich das Trinkgeld da er verweigert, etwas dazulassen. Er nennt mich deshalb dumm, „denn auch Rockefeller gab nie Trinkgeld“. Es scheint mir, als leide er unter dem Wahn, dass ihn jedermann seines Geldes berauben wolle.
Noch am gleichen Abend sage ich ihm, dass ich am nächsten Tag alleine weiterfahren werde und erkläre ihm auch, dass der Grund in seinem Verhalten und seiner Einstellung liegen, die ich nicht akzeptieren kann. Zuerst ist er sehr aufgebracht, beruhigt sich dann allerdings wieder und scheint Hoffnung zu haben, dass ich es mir doch noch überlege.
Vor dem Frühstück bringen wir den Wagen in eine Werkstätte, da Ernest behauptet, ein seltsames Geräusch zu hören, das ich allerdings nicht ausmachen kann. Beim Abholen fängt er noch einen Streit mit dem Werkmeister an. Schließlich fahre ich einfach weg und dränge ihn, mir zu sagen, wo ich ihn hinbringen soll – immerhin hatte er behauptet, überall über beste Beziehungen zu verfügen. Ich gebe ihm noch eine Stunde, die ich ihm zur Verfügung stehe. Daraufhin versucht er, mir zu befehlen, bei ihm zu bleiben. Irgendwie fühle ich mich doch für ihn verantwortlich und haue nicht sofort ab, sondern halte bei einem Supermarkt, um mir Essen für meine Weiterreise zu kaufen. Bei meiner Rückkehr soll er mir endgültig sagen, ob und wohin ich ihn in Phoenix bringen soll. Ich mache ihm klar, dass die gemeinsame Reise danach zu Ende ist.
Als ich zurückkomme, hat er sich auf der Sitzbank vom Beifahrer- auf den Fahrersitz gehievt. Obwohl ich ihn nicht mag, bewundere ich seine Willensstärke, die in solchem Gegensatz zu seiner körperlichen Hinfälligkeit steht. Glaube mag sprichwörtlich Berge versetzen, Wille versetzt aber offenbar physisch Körper!
Ich setze mich neben ihn auf den Beifahrersitz und frage, wie er sich entschieden habe. Er bittet mich, den Wagen zu starten – er ist offenbar nicht in der Lage, den Zündschlüssel umzudrehen – und behauptet, das seltsame Motorgeräusch, das auch nach dem Werkstattbesuch nicht weg sei, nochmals prüfen zu müssen, denn wahrscheinlich habe ich den Wagen kaputt gemacht. Ich starte und auf meine Frage, was er denn nun vorhabe, nimmt er, ohne zu fragen, von meinen Trauben, die ich eben gekauft hatte. Wir streiten noch ein letztes Mal, ich steige endgültig aus. Während ich vom Münztelefon, das an der Wand des Supermarktes hängt, die Polizei anrufe, sehe ich noch, wie der große, graue Chrysler vom Parkplatz langsam in die Straße einbiegt.
Kalifornien: Endlich ein Job!
In Phoenix muss ich nicht lange warten, bis mich Steve mitnimmt. Er ist unterwegs nach Bakersfield/CA, um seinem Bruder zu helfen, der dort auf einer Farm an einer Verbesserung des Bewässerungssystem arbeitet, die er entwickelt hat. Es ist etwa 22:30 Uhr, als wir durch L.A. fahren, meinem ursprünglichen Ziel. Meilenweit sind beiderseits der Straße hauptsächlich Tankstellen, Motels und Restaurants zu sehen, die Stadt scheint sich unendlich auszudehnen, sie ist, anders als z.B. NYC, in die Breite gebaut. Ich stelle mir vor, da draußen abgesetzt zu werden und fühle mich verloren. So fällt es mir leicht, mich zu entscheiden, mit nach Bakersfield zu fahren. Steve erzählt mir außerdem, dass sein Bruder das System auf einer großen Farm mit etwa 10.000 ha bewässertem Land testet und ich dort eventuell einen Job, z.B. als Obstpflücker, finden kann. Um Mitternacht sind wir am Ziel und das Zimmer von Steve hat zum Glück zwei Betten.
Der Manager der Farm ist am Morgen nicht erreichbar und so helfe ich vorerst Greg Wieck, dem Bruder von Steve, bei der Arbeit. Im Laufe des Tages stellt sich heraus, dass es mit einer Karriere als Obstpflücker nichts wird, da es angeblich Probleme mit der Social Security Number gibt. Noch am selben Nachmittag bricht sich Greg bei der Arbeit mit einem großen Bohrer den Arm und er heuert mich an, da er nun Hilfe benötigt.
Greg ist sehr konservativ, aber äußerst nett und er lädt mich ein, ihn auf seiner Farm im Norden Oregons zu besuchen. Vielleicht bin ich ihm sympathisch, da er auch katholisch ist (er hatte sich bald nach meiner Religionszugehörigkeit erkundigt).
Es ist während dieser Augustwoche sehr heiß, die Temperaturen erreichen 112° Fahrenheit (44° C). Die Hitze und die ungewohnte manuelle Arbeit machen mich ziemlich fertig (nicht nur mich), aber ich brauche unbedingt das Geld. Greg hatte mir $5 die Stunde sowie Motel und Lunch frei angeboten. Im Endeffekt hat er auch für meine restlichen Essen bezahlt, so brachte mir der Job für die sechs Tage ca $270.
Auf dem Weg von Bakersfield nach San Francisco werde ich erstmals vom Freeway gewiesen. Ich bin ziemlich erschrocken, als mir aus einem Megaphon in sehr bestimmtem Ton „Get off the Freeway“ entgegentönte bevor ich das Polizeiauto überhaupt bemerkt hatte.
Der Start in San Francisco war vielversprechend: Gleich außerhalb der BART-Station spielte ein wirklich gute Bluesband.
Moral Majority
Kundgebung der „Moral Majority“ mit gleichzeitiger Gegendemonstration verschiedener Gruppen wie Gays, Women Liberation Movement etc., insgesamt ein sehr buntes Bild. Die „Moral Majority“ setzt sich aus Mitgliedern verschiedener christlicher Kirchen zusammen, um gemeinsam politische Ziele zu verfolgen („Wir Christen müssen zusammenstehen und bestimmen, wer in die Regierung kommt“), so unterstützten sie z.B. aktiv die Wahl Ronald Reagans. Mitten drin ein dunkelhaariges Mädchen im Volksschulalter mit einem Christusbild in den Händen. Ob es weiß, wofür oder wogegen es demonstriert? Ist das nicht Kindesmissbrauch im Namen Gottes?
Vor allem gesellschaftliche Minderheiten wie Schwule etc. fürchten die Moral Majority. Bewegungen, die sich auf ihre angeblich überlegene Moral berufen, egal ob christlich oder wie auch immer begründet, sind mir jedenfalls suspekt. Wenn sie, wie Mitglieder der Moral Majority, Rock’n Roll Platten verbrennen, da es sich dabei um „schlechte“ Musik handelt, denke ich an Deutschland, wo man auch mit Bücherverbrennungen begonnen hat
Es gibt aber auch eine ganz offizielle Nazipartei, die offen die Ausrottung von Juden, Schwarzen, Indianern und Schwulen fordert und vom Ku-Klux-Klan wurde erst vor einigen Monaten .in Oregon eine neue Sektion gegründet.
Die Küste im Norden Kaliforniens und in Oregon gefällt mir gut, sie ist teilweise etwas schroff, mit Klippen durchsetzt. Ich würde gerne stehenbleiben, obwohl es kalt und nebelig ist. Mir kommt der Gedanke, dass die Küste im Norden Spaniens auch so aussehen müsste, ja ich bin mir sicher: So sieht sie aus, obwohl ich sie noch nie gesehen habe. Ich bekomme Sehnsucht, am Meer zu wohnen, nicht an einem sanften Sandstrand, sondern wo man den Ozean und den Wind spürt, die Brandung sieht und hört und das Salz auf den Lippen schmeckt.
Hier: Airconditioning überall. Es geht so viel verloren, wenn man bei schönstem Wetter im klimatisierten Auto sitzt und die Landschaft durch getönte Scheiben betrachtet (wenn überhaupt), keinen Sonnenstrahl und keinen Wind spürt, keinen Geruch wahrnimmt. Lässt die Tatsache, dass wir unsere Sinne nur mehr beschränkt gebrauchen vielleicht auch unsere Gefühle verkümmern?
Give me a Dollar!
Nachdem ich schon ein einige Zeit in SoMa (South of Market Street) herumgestreunt war, setze ich mich auf eine Bank nahe der Straße, um das Treiben zu beobachten. Das Viertel wirkt ziemlich heruntergekommen, es gibt zahlreiche Pfandleihgeschäfte. Also eine Gegend, die ich viel interessanter finde, als die geschniegelten Geschäftsviertel.
Bald setzt sich ein Mann neben mich und fragt mich nach einer Zigarette, ein weiterer nimmt an meiner anderen Seite Platz. Während wir plaudern, einer der Männer erzählt von seiner Zeit in der Army, als er in Deutschland stationiert war, kommt auch noch ein Dritter, für den es nur mehr einen Stehplatz gibt. Langsam wird mir etwas unbehaglich und ich schicke mich an zu gehen. Da fragt mich der erste um einen Dollar. Mir wäre es nicht um einen Dollar, auch nicht um zwei oder drei, aber ich habe kein Kleingeld eingesteckt und möchte auf keinen Fall meine Gürteltasche mit den kürzlich von der Bank geholten Reiseschecks und meinem Pass öffnen.
Ich will aufstehen, aber da hält mich schon der eine links, der andere rechts und auch der dritte mischt mit. Einer schafft es, mir die lederne Gürteltasche abzureißen, der zweite greift sich meine Uhr, vom letzten, der es auf meine Kamera abgesehen hatte, kann ich mich schließlich losmachen, da die beiden anderen, sobald sie etwas erbeutet hatten, von mir abließen. Keine Solidarität, klassisches Lumpenproletariat im Sinn von Marx.
Auf einer anderen Bank ganz in der Nähe hat eine Frau zugesehen, wie ich beraubt wurde. Als ich an ihr vorbeieile, ruft sie mir in höhnischem Tonfall zu: „Give me a Dollar“.
Geld und Pass sind weg, das ist unangenehm, aber das kann man ersetzten. Am meisten leid tut es mir um die zahlreichen Adressen von netten und hilfsbereiten Menschen, denen ich auf der Reise begegnet war. Manchen von ihnen hatte ich versprochen, mich aus Österreich mit einer Ansichtskarte zu melden. Einige Tage später fand ich in einer Bahnstation einen Zettel mit Tipps für den Aufenthalt in San Francisco. Darauf stand unter anderem, dass man das Viertel South of Market Street meiden solle.
Nach einer schlaflosen Nacht am Montagmorgen von San Francisco nach Los Angeles geflogen. Ich muss bis zum Nachmittag warten, bevor ich im österreichischen Konsulat eine Kopie meines in Hartberg ausgestellten Reisepasses bekomme. In der Zwischenzeit bin ich in der Stadt unterwegs und kann, nach dem was ich sehe und empfinde, nicht verstehen, was man an L.A. toll finden kann: es ist heiß, der Dunst steht über der Stadt, viele Menschen, viel Verkehr.
Als ich den Pass abhole, erkundigt sich die Sekretärin, ob ich mit dem Inhaber der Baumschule Loidl in Hartberg verwandt sei (das Unternehmen meines älteren Bruders), der Konsul lasse fragen. Später erfahre ich, dass er ein guter Bekannter eines Onkels von mir in Graz ist.
Legal oder Illegal
Am Flughafen beginnt die große Suche nach einem freien Platz für den Rückflug. Man erklärt mir überall, dass die Aussichte, ein Standby-Ticket zu bekommen, gleich Null sei. Schließlich buche ich für Mittwoch fix.
Später stellt sich heraus, dass ich auch an diesem Montag noch mitfliegen könnte, da mehrere aus der Warteliste nicht aufgetaucht sind und ein Einzelplatz frei blieb. Ich bat darum, mein Ticket umzutauschen, was mir aber verweigert wurde, obwohl der Konkurs der Montana Air bekannt war und ich auch erzählte, dass mich meinem Bruder versprochen hatte, rechtzeitig zu seiner Hochzeit zu Hause zu sein. Die Frau, bei der ich es gekauft hatte, wurde nur hektisch und erklärte, eine Rücknahme sei illegal. Es machte mich wütend und deprimierte mich gleichzeitig, dass es nicht möglich sei sollte, ein Ticket umzubuchen und einen freien Platz damit zu besetzen.
Was heiß hier legal oder illegal, der Mensch wird von Regeln erdrosselt. Gesetze und Regeln sind nicht mehr zum Schutz und Nutzen des Menschen da, sondern der Mensch wird nur mehr dazu gebraucht, die Regeln zu bestätigen. Es gibt kein Abwiegen nach den gegebenen Umständen, Gut und Böse sind bereits vorgewogen und abgepackt. Legal und illegal statt gerechtfertigt und ungerechtfertigt, statt sinnvoll und nicht sinnvoll. Man legt Menschen Hindernisse in den Weg um den Regeln zu genügen, ohne damit den toten Phrasen einen Gefallen tun zu können.
Endlich in Arizona! (Warum eigentlich endlich?) Beim gemütlichen Tempo mit dem Wohnwagen habe ich Zeit, die Landschaft zu betrachten. Meilenweit Wildnis zu beiden Seiten der Straße, umgestürzte, entwurzelte, bizarr verwitterte Bäume. Ich schaue nur, denke gar nicht ans Fotografieren, mache aber eine Bemerkung, dass mir die Landschaft gefällt. Bei nächster Gelegenheit bleiben sie stehen, damit ich ein Bild machen kann. Der Standpunkt ist natürlich nicht besonders gut und ich mag es nicht, unter Zeitdruck zu fotografieren – alle warten im Auto -, mache aber trotzdem zwei Fotos.
Wir besuchen auch Petrified Forest und Painted Desert und stelle dabei fest, dass es zu unserem Tourist-Sein noch eine Steigerung gibt: Ein Auto stoppt, die Frau springt heraus und macht ein Foto. Mann und Kind bleiben im Auto, das aber so geparkt ist, dass sie von der Sehenswürdigkeit gar nichts sehen können.
Von Holbrook weg bekomme ich einen Ride von einer Frau, die mit ihren Kindern in einem alten VW Bus unterwegs ist. Sie teilen Essen und Trinken mit mir und macht einen Umweg um mich in den Zion National Park in Utah zu bringen. Ich zahle die $2 Einfahrtsgebühr für das Auto und sie schenkt mir beim Abschied ihre Trainingsjacke, „denn es kann in der Nacht kalt sein“. Bin noch etwa eine Meile zu einem Aussichtspunkt aufgestiegen und habe mich dort trotz neuer Jacke in der Nacht ordentlich verkühlt.
Grand Canyon
Über Pink Sands zum North Rim des Grand Canyon, noch eine kalte Nacht, diesmal auf einem Campingplatz. Marcel und Steve getroffen. Großes Erstaunen, als Steve mit ein paar Israelis Hebräisch spricht. Er erklärt uns, dass er gar kein richtiger Jude sei, er habe schon alle gängigen Religionsgemeinschaften ausprobiert. Religionstester quasi.
Ich nehme mit Marcel den North Kaibab Trail in Angriff, allerdings gehen wir erst zu Mittag weg und machen unterwegs wegen der Hitze zwei ausgiebige Pausen. Es sind nur 14 Meilen (23 Km), aber es geht rund 1.800 Höhenmeter hinab, wir sind in Sandalen unterwegs und es hat Spitzentemperaturen von 115-120° Fahrenheit (46-48° C). Zum Schluss, wir kommen bei Sonnenuntergang bei der Phantom Ranch an, habe ich das Gefühl, dass ich die Füße kaum mehr heben kann. Am Campingplatz lerne ich einen Österreicher kennen, der mich gleich nach der Fluglinie fragt, mit der ich in die USA gekommen bin. Es ist leider Montana Air, die in der Zwischenzeit Konkurs anmelden musste. Ich muss mich um ein neues Rückflugticket umsehen. Shit happens!
Aufstieg aus dem Grand Canyon auf der Südseite über den South Kaibab Trail. Während wir am North Rim fast alleine unterwegs waren, herrscht hier sehr reger Betrieb an Wanderern und Maultieren, die weniger fitte Besucher auf dem Rücken hinauftragen, immer wieder höre ich Deutsch. In Flagstaff gehe ich mit anderen Burschen auf Zimmersuche, schließlich teilen wir uns zu sechst einen Raum ($4,35 für jeden). Die letzten $50 gewechselt, leiste mir ein (mittelmässiges) mexikanisches Abendessen.
Bei meinem Anruf bei der Österreichischen Botschaft wird der Fall Montana Air bestätigt, ich muss für den Rückflug mindestens $244 aufzahlen. In der örtlichen Jugendherberge erfolglos um Arbeit gefragt.
Alter Schwede!
In Flagstaff hält ein großer, grauer Chrysler Imperial mit zwei Männern darin. Den Fahrer schätze ich auf Mitte Dreißig, der Beifahrer ist ein alter Mann. Er ist es aber, der mich fragt, wo ich hin möchte. Richtung Kalifornien passt, da sein Ziel San Diego sei. Die nächste Frage ist, ob ich Autofahren könne. Ich bejahe und dann darf ich einsteigen. Der alte Mann – nur er spricht – erklärt mir, dass er einen neuen Fahrer suche, da der aktuelle bald zu Hause sei. Ob ich mir zutraue, mit dem Wagen weiterzufahren? Natürlich tue ich das und so wechsle ich gleich ans Steuer. Das Auto ist groß, aber auch die Straßen sind breit und an die Automatik gewöhne ich mich rasch.
Mein neuer Chef verspricht keinen Lohn, sondern nur Kost und Quartier, allerdings macht er Andeutungen, die mich auf Großzügigkeit hoffen lassen. Er ist groß und hager und stellt sich als Ernest Wiberg vor, seine Eltern seien aus Schweden in die USA immigriert. Ich bemerke, dass er trotz seiner Größe und vor allem seines selbstbewussten Auftretens körperlich gebrechlich ist und wir müssen ihn immer wieder im Sitz aufrichten, da er auf die Seite rutscht. Er sei 94 Jahre alt, habe Multiple Sklerose und komme gerade aus Chicago, wo er im Krankenhaus war. Er arbeite für die amerikanische Regierung, kenne Gott und die Welt du haut recht auf den Putz. Jedenfalls verfügt er über ein größeres Wissen als die meisten Amerikaner, denen ich bisher begegnet bin. Im Auto beginnt es zu stinken und ich merke, dass er sich angepisst hat. Das kann ja heiter werden.
Wir bringen seinen bisherigen Fahrer noch nach Hause, es sind etwa 20 Meilen Umweg, und der alte Mann beginnt in dieser Zeit noch, ihn zu beschuldigen, dass er schlechtes und zu teures Benzin getankt hätte. Auf der Rückfahrt erklärt er mir, dass sein Chauffeur die Heimfahrt eigentlich selbst hätte bezahlen müssen – nachdem dieser Mann zwei Wochen lang praktisch unentgeltlich für ihn da war! In diesem Augenblick beschließe ich, am nächsten Tag abzuhauen.
Es folgt ein anstrengender Abend in Phoenix. Ich muss ihn wie ein Kind ausziehen, waschen und ihn dabei noch öfters vor dem Hinfallen bewahren. Fortbewegen kann er sich nur mit einer Gehhilfe, allein ist er hilflos. Danach fahren wir zum Abendessen und ich halte mich dabei nicht zurück, er ermuntert mich sogar, zuzulangen. Ernest selbst isst allerdings nur Crackers mit Butter und dazu trinkt er Unmengen von Kaffee. Ich bin mir nicht sicher, ob er einfach nicht mehr mag oder ob es aus Geiz ist. Er, „der Schwede“, ist der eingefleischteste amerikanische Nationalist, dem ich jemals begegnet bin und auch mit seinen sonstigen Ansichten bringt er mich auf die Palme. Wir diskutieren teilweise recht lautstark. Auch der Bedienung gegenüber benimmt er sich nicht sehr fein, ist unfreundlich und behandelt sie von oben herab. Schließlich gebe ich das Trinkgeld da er verweigert, etwas dazulassen. Er nennt mich deshalb dumm, „denn auch Rockefeller gab nie Trinkgeld“. Es scheint mir, als leide er unter dem Wahn, dass ihn jedermann seines Geldes berauben wolle.
Noch am gleichen Abend sage ich ihm, dass ich am nächsten Tag alleine weiterfahren werde und erkläre ihm auch, dass der Grund in seinem Verhalten und seiner Einstellung liegen, die ich nicht akzeptieren kann. Zuerst ist er sehr aufgebracht, beruhigt sich dann allerdings wieder und scheint Hoffnung zu haben, dass ich es mir doch noch überlege.
Vor dem Frühstück bringen wir den Wagen in eine Werkstätte, da Ernest behauptet, ein seltsames Geräusch zu hören, das ich allerdings nicht ausmachen kann. Beim Abholen fängt er noch einen Streit mit dem Werkmeister an. Schließlich fahre ich einfach weg und dränge ihn, mir zu sagen, wo ich ihn hinbringen soll – immerhin hatte er behauptet, überall über beste Beziehungen zu verfügen. Ich gebe ihm noch eine Stunde, die ich ihm zur Verfügung stehe. Daraufhin versucht er, mir zu befehlen, bei ihm zu bleiben. Irgendwie fühle ich mich doch für ihn verantwortlich und haue nicht sofort ab, sondern halte bei einem Supermarkt, um mir Essen für meine Weiterreise zu kaufen. Bei meiner Rückkehr soll er mir endgültig sagen, ob und wohin ich ihn in Phoenix bringen soll. Ich mache ihm klar, dass die gemeinsame Reise danach zu Ende ist.
Als ich zurückkomme, hat er sich auf der Sitzbank vom Beifahrer- auf den Fahrersitz gehievt. Obwohl ich ihn nicht mag, bewundere ich seine Willensstärke, die in solchem Gegensatz zu seiner körperlichen Hinfälligkeit steht. Glaube mag sprichwörtlich Berge versetzen, Wille versetzt aber offenbar physisch Körper!
Ich setze mich neben ihn auf den Beifahrersitz und frage, wie er sich entschieden habe. Er bittet mich, den Wagen zu starten – er ist offenbar nicht in der Lage, den Zündschlüssel umzudrehen – und behauptet, das seltsame Motorgeräusch, das auch nach dem Werkstattbesuch nicht weg sei, nochmals prüfen zu müssen, denn wahrscheinlich habe ich den Wagen kaputt gemacht. Ich starte und auf meine Frage, was er denn nun vorhabe, nimmt er, ohne zu fragen, von meinen Trauben, die ich eben gekauft hatte. Wir streiten noch ein letztes Mal, ich steige endgültig aus. Während ich vom Münztelefon, das an der Wand des Supermarktes hängt, die Polizei anrufe, sehe ich noch, wie der große, graue Chrysler vom Parkplatz langsam in die Straße einbiegt.
Kalifornien: Endlich ein Job!
In Phoenix muss ich nicht lange warten, bis mich Steve mitnimmt. Er ist unterwegs nach Bakersfield/CA, um seinem Bruder zu helfen, der dort auf einer Farm an einer Verbesserung des Bewässerungssystem arbeitet, die er entwickelt hat. Es ist etwa 22:30 Uhr, als wir durch L.A. fahren, meinem ursprünglichen Ziel. Meilenweit sind beiderseits der Straße hauptsächlich Tankstellen, Motels und Restaurants zu sehen, die Stadt scheint sich unendlich auszudehnen, sie ist, anders als z.B. NYC, in die Breite gebaut. Ich stelle mir vor, da draußen abgesetzt zu werden und fühle mich verloren. So fällt es mir leicht, mich zu entscheiden, mit nach Bakersfield zu fahren. Steve erzählt mir außerdem, dass sein Bruder das System auf einer großen Farm mit etwa 10.000 ha bewässertem Land testet und ich dort eventuell einen Job, z.B. als Obstpflücker, finden kann. Um Mitternacht sind wir am Ziel und das Zimmer von Steve hat zum Glück zwei Betten.
Der Manager der Farm ist am Morgen nicht erreichbar und so helfe ich vorerst Greg Wieck, dem Bruder von Steve, bei der Arbeit. Im Laufe des Tages stellt sich heraus, dass es mit einer Karriere als Obstpflücker nichts wird, da es angeblich Probleme mit der Social Security Number gibt. Noch am selben Nachmittag bricht sich Greg bei der Arbeit mit einem großen Bohrer den Arm und er heuert mich an, da er nun Hilfe benötigt.
Greg ist sehr konservativ, aber äußerst nett und er lädt mich ein, ihn auf seiner Farm im Norden Oregons zu besuchen. Vielleicht bin ich ihm sympathisch, da er auch katholisch ist (er hatte sich bald nach meiner Religionszugehörigkeit erkundigt).
Es ist während dieser Augustwoche sehr heiß, die Temperaturen erreichen 112° Fahrenheit (44° C). Die Hitze und die ungewohnte manuelle Arbeit machen mich ziemlich fertig (nicht nur mich), aber ich brauche unbedingt das Geld. Greg hatte mir $5 die Stunde sowie Motel und Lunch frei angeboten. Im Endeffekt hat er auch für meine restlichen Essen bezahlt, so brachte mir der Job für die sechs Tage ca $270.
Auf dem Weg von Bakersfield nach San Francisco werde ich erstmals vom Freeway gewiesen. Ich bin ziemlich erschrocken, als mir aus einem Megaphon in sehr bestimmtem Ton „Get off the Freeway“ entgegentönte bevor ich das Polizeiauto überhaupt bemerkt hatte.
Der Start in San Francisco war vielversprechend: Gleich außerhalb der BART-Station spielte ein wirklich gute Bluesband.
Moral Majority
Kundgebung der „Moral Majority“ mit gleichzeitiger Gegendemonstration verschiedener Gruppen wie Gays, Women Liberation Movement etc., insgesamt ein sehr buntes Bild. Die „Moral Majority“ setzt sich aus Mitgliedern verschiedener christlicher Kirchen zusammen, um gemeinsam politische Ziele zu verfolgen („Wir Christen müssen zusammenstehen und bestimmen, wer in die Regierung kommt“), so unterstützten sie z.B. aktiv die Wahl Ronald Reagans. Mitten drin ein dunkelhaariges Mädchen im Volksschulalter mit einem Christusbild in den Händen. Ob es weiß, wofür oder wogegen es demonstriert? Ist das nicht Kindesmissbrauch im Namen Gottes?
Vor allem gesellschaftliche Minderheiten wie Schwule etc. fürchten die Moral Majority. Bewegungen, die sich auf ihre angeblich überlegene Moral berufen, egal ob christlich oder wie auch immer begründet, sind mir jedenfalls suspekt. Wenn sie, wie Mitglieder der Moral Majority, Rock’n Roll Platten verbrennen, da es sich dabei um „schlechte“ Musik handelt, denke ich an Deutschland, wo man auch mit Bücherverbrennungen begonnen hat
Es gibt aber auch eine ganz offizielle Nazipartei, die offen die Ausrottung von Juden, Schwarzen, Indianern und Schwulen fordert und vom Ku-Klux-Klan wurde erst vor einigen Monaten .in Oregon eine neue Sektion gegründet.
Die Küste im Norden Kaliforniens und in Oregon gefällt mir gut, sie ist teilweise etwas schroff, mit Klippen durchsetzt. Ich würde gerne stehenbleiben, obwohl es kalt und nebelig ist. Mir kommt der Gedanke, dass die Küste im Norden Spaniens auch so aussehen müsste, ja ich bin mir sicher: So sieht sie aus, obwohl ich sie noch nie gesehen habe. Ich bekomme Sehnsucht, am Meer zu wohnen, nicht an einem sanften Sandstrand, sondern wo man den Ozean und den Wind spürt, die Brandung sieht und hört und das Salz auf den Lippen schmeckt.
Hier: Airconditioning überall. Es geht so viel verloren, wenn man bei schönstem Wetter im klimatisierten Auto sitzt und die Landschaft durch getönte Scheiben betrachtet (wenn überhaupt), keinen Sonnenstrahl und keinen Wind spürt, keinen Geruch wahrnimmt. Lässt die Tatsache, dass wir unsere Sinne nur mehr beschränkt gebrauchen vielleicht auch unsere Gefühle verkümmern?
Give me a Dollar!
Nachdem ich schon ein einige Zeit in SoMa (South of Market Street) herumgestreunt war, setze ich mich auf eine Bank nahe der Straße, um das Treiben zu beobachten. Das Viertel wirkt ziemlich heruntergekommen, es gibt zahlreiche Pfandleihgeschäfte. Also eine Gegend, die ich viel interessanter finde, als die geschniegelten Geschäftsviertel.
Bald setzt sich ein Mann neben mich und fragt mich nach einer Zigarette, ein weiterer nimmt an meiner anderen Seite Platz. Während wir plaudern, einer der Männer erzählt von seiner Zeit in der Army, als er in Deutschland stationiert war, kommt auch noch ein Dritter, für den es nur mehr einen Stehplatz gibt. Langsam wird mir etwas unbehaglich und ich schicke mich an zu gehen. Da fragt mich der erste um einen Dollar. Mir wäre es nicht um einen Dollar, auch nicht um zwei oder drei, aber ich habe kein Kleingeld eingesteckt und möchte auf keinen Fall meine Gürteltasche mit den kürzlich von der Bank geholten Reiseschecks und meinem Pass öffnen.
Ich will aufstehen, aber da hält mich schon der eine links, der andere rechts und auch der dritte mischt mit. Einer schafft es, mir die lederne Gürteltasche abzureißen, der zweite greift sich meine Uhr, vom letzten, der es auf meine Kamera abgesehen hatte, kann ich mich schließlich losmachen, da die beiden anderen, sobald sie etwas erbeutet hatten, von mir abließen. Keine Solidarität, klassisches Lumpenproletariat im Sinn von Marx.
Auf einer anderen Bank ganz in der Nähe hat eine Frau zugesehen, wie ich beraubt wurde. Als ich an ihr vorbeieile, ruft sie mir in höhnischem Tonfall zu: „Give me a Dollar“.
Geld und Pass sind weg, das ist unangenehm, aber das kann man ersetzten. Am meisten leid tut es mir um die zahlreichen Adressen von netten und hilfsbereiten Menschen, denen ich auf der Reise begegnet war. Manchen von ihnen hatte ich versprochen, mich aus Österreich mit einer Ansichtskarte zu melden. Einige Tage später fand ich in einer Bahnstation einen Zettel mit Tipps für den Aufenthalt in San Francisco. Darauf stand unter anderem, dass man das Viertel South of Market Street meiden solle.
Nach einer schlaflosen Nacht am Montagmorgen von San Francisco nach Los Angeles geflogen. Ich muss bis zum Nachmittag warten, bevor ich im österreichischen Konsulat eine Kopie meines in Hartberg ausgestellten Reisepasses bekomme. In der Zwischenzeit bin ich in der Stadt unterwegs und kann, nach dem was ich sehe und empfinde, nicht verstehen, was man an L.A. toll finden kann: es ist heiß, der Dunst steht über der Stadt, viele Menschen, viel Verkehr.
Als ich den Pass abhole, erkundigt sich die Sekretärin, ob ich mit dem Inhaber der Baumschule Loidl in Hartberg verwandt sei (das Unternehmen meines älteren Bruders), der Konsul lasse fragen. Später erfahre ich, dass er ein guter Bekannter eines Onkels von mir in Graz ist.
Legal oder Illegal
Am Flughafen beginnt die große Suche nach einem freien Platz für den Rückflug. Man erklärt mir überall, dass die Aussichte, ein Standby-Ticket zu bekommen, gleich Null sei. Schließlich buche ich für Mittwoch fix.
Später stellt sich heraus, dass ich auch an diesem Montag noch mitfliegen könnte, da mehrere aus der Warteliste nicht aufgetaucht sind und ein Einzelplatz frei blieb. Ich bat darum, mein Ticket umzutauschen, was mir aber verweigert wurde, obwohl der Konkurs der Montana Air bekannt war und ich auch erzählte, dass mich meinem Bruder versprochen hatte, rechtzeitig zu seiner Hochzeit zu Hause zu sein. Die Frau, bei der ich es gekauft hatte, wurde nur hektisch und erklärte, eine Rücknahme sei illegal. Es machte mich wütend und deprimierte mich gleichzeitig, dass es nicht möglich sei sollte, ein Ticket umzubuchen und einen freien Platz damit zu besetzen.
Was heiß hier legal oder illegal, der Mensch wird von Regeln erdrosselt. Gesetze und Regeln sind nicht mehr zum Schutz und Nutzen des Menschen da, sondern der Mensch wird nur mehr dazu gebraucht, die Regeln zu bestätigen. Es gibt kein Abwiegen nach den gegebenen Umständen, Gut und Böse sind bereits vorgewogen und abgepackt. Legal und illegal statt gerechtfertigt und ungerechtfertigt, statt sinnvoll und nicht sinnvoll. Man legt Menschen Hindernisse in den Weg um den Regeln zu genügen, ohne damit den toten Phrasen einen Gefallen tun zu können.