GUATEMALA (1982)
Reise im Hochland
Nach der mexikanischen Grenze: Spektakulär schöne Berghänge, aber nicht schroff, da sie bis oben hin grün und die Gipfel abgerundet sind. In den Steilhängen, zwischen Gebüsch und Wald, kleben immer wieder kleine Maisfelder. Nun kann ich Berichten Glauben schenken, dass hier schon Bauern bei der Feldarbeit abgestürzt seien.
Der Bürgerkrieg ist sichtbar und spürbar. Auf dem Weg nach Huehuetenango stoßen wir auf insgesamt fünf gesprengte Brücken. Bei einer gibt es eine offenbar vom Militär errichtete Behelfsbrücke, drei sind nicht komplett unpassierbar oder wir können sie umfahren, bei einer müssen wir über Holzplanken und unter Stahlstreben über das Flussbett turnen, wo auf der anderen Seite ein anderer Kleinbus auf die Passagiere wartet.
Es gibt häufige Kontrollen durch das Militär, inklusive Leibesvisitationen, bei denen ich allerdings meist ausgelassen werde. Man begnügt sich damit, meine Kameratasche genau zu inspizieren. Und sie verlangen auch nie Geld, wie man immer wieder hören konnte, um den Reisepass wieder herauszugeben. Einmal wird der Bus auch von bewaffneten Männern in Zivilkleidung aufgehalten, auch hier müssen alle aussteigen, die Ausweise werden kontrolliert. Das ist noch unangenehmer, da ich keine Ahnung habe, mit wem ich es zu tun habe. Sind es Guerilleros, Paramilitärs, Straßenräuber? Alle Kontrollen verlaufen, abgesehen von den Anweisungen der Kontrollierenden, fast ohne Worte. Niemand wagt zu sprechen, die Angst ist fast greifbar.
Am Abend, in Huehuetenango, komme ich mit einem schon ziemlich betrunkenen Mann ins Gespräch. „Menschenrechte werden hier missachtet, das Militär kann tun, was es will“, sagt er. Aber selbst in seinem Suff spricht er leise und blickst sich immer wieder vorsichtig um.
Später lese ich, dass entlang der mexikanischen Grenze 26 Ortschaften dem Erdboden gleichgemacht wurden und es allein im Juli im Bezirk Huehuetenango 300 Tote gab.
Lago de Atitlán
Ein Bilderbuchsee, dessen glatte Wasseroberfläche zwischen blaugrau und grün wechselt. Am Rande drei Vulkane, die aussehen, wie man sich Vulkane vorstellt. Das Ufer rundum grün und ansteigend, darin verstreut ein Duzend Dörfer (Hauptort: Panajachel) mit größtenteils indigener Bevölkerung, die von Landwirtschaft, Fischfang und, hauptsächlich, Tourismus lebt. Allerdings soll dieser in den letzten zwei Jahren auf Grund der politischen Situation um 90 Prozent eingebrochen sein. Mir macht es nichts aus, dass ich nach zwei Tagen im Ort schon die meisten Gäste, zumindest vom Sehen, kenne.
Schuld ist, in offizieller Darstellung, zu einem großen Teil natürlich die falsche und bösartige Berichterstattung im Ausland. Den endgültigen Entschluss, doch nicht nach Quiché und Cobán zu fahren, fasse ich, nachdem ich um 6 Uhr morgens in Panajachel von zwei Salven aus automatischen Gewehren geweckt worden bin.
Die Tourismusflaute trifft nicht nur die Hotels und Restaurants, sondern auch die Geschäfte und Marktstände, die typische oder semitypische Kleidung verkaufen. Die letzten in der Reihe sind wieder die Produzenten, die weben, sticken und nähen, also die Indios, von denen man vielen ansieht, dass sie am Hungertuch nagen.
Die Farbenpracht der lokalen Trachten schlägt alles bisher gesehene. Fast jedes Dorf, lasse ich mir erklären, hat seine eigenen Besonderheiten und die Herkunft der traditionell gekleideten Menschen sei für die anderen Indígenas an der Kleidung ablesbar. Ich bin fasziniert und kaufe einige handgewebte Gürtel, Taschen und Huipiles, die typischen bunten, ponchoartigen Oberbekleidungen der Indiofrauen.
Ich lerne Peter kennen, einen Amerikaner, der nicht zum ersten Mal zum Einkaufen hier ist. Die bunten Textilien verkauft er auf Kunstgewerbemärkten in den USA. Er kennt sich bei den verschiedenen Trachten schon ganz gut aus und ist stolz, dass er auf einem Markt einige gebrauchte Stücke von einem Dorf ergattern kann, das von den Militärs angeblich mehr oder minder ausgerottet wurde. Da kommt kein Nachschub an Trachten mehr, das steigert den Wert der existierenden!
Es ist ein ungewohntes Gefühl, als auf der Straße ein betrunkener Soldat torkelnd seine Waffe auf mich richtet und nach dem Weg zum Strand fragte. Es ist das erste Mal und bislang einzige Mal in meinem Leben, dass ich mit einer Schusswaffe konfrontiert bin. Ich weiß noch, dass mir die Kombination von Trunkenheit und Schusswaffe Angst machte. Ich weiß aber nicht mehr, ob ich Todesangst hatte, ich glaube, ich war zu überrascht hatte keine Zeit dazu. Und so real der Soldat und das Gewehr waren, so irreal, da nicht vorhersehbar, war die Situation gleichzeitig für mich.
Aber glücklicherweise wusste ich ja die Antwort auf die Preisfrage: Gleich die nächste Gasse hinunter und dann nach rechts!
Tikal
Sehr schöner Flug von Guatemala City nach Flores. Der Übergang vom Hochland zur flachen, nur dünn besiedelten Landschaft des Petén im Norden Guatemalas ist gut zu erkennen. Immer ist es grün, nur wenige Straßen durchziehen das Land, der Boden gleicht, auch durch die Brandrodung bedingt, einem Fleckerlteppich in verschiedenen Grüntönen.
Auf dem Flug lerne ich eine Archäologin kennen, die in Tikal arbeitet und mir eine Mitfahrgelegenheit dorthin vermittelt. Tikal ist ein künstlicher Ort, der nur wegen der Ruinen existiert. Etwa 500 Menschen arbeiten dort im Nationalpark und bei Ausgrabungsprojekten. Nur wenige haben ihre Familien dabei und es dürfen keinen weiteren Familien dort hinsiedeln, erfahre ich. Die (meist jüngeren) Leute arbeiten 22 Tage und haben dann 8 Tage frei. Alkohol und vielleicht ein Joint seien so ziemlich die einzigen Zerstreuungen, denn es gebe nichts in Tikal. Alles muss von weit her gebracht werden, man kann nicht einmal Obst kaufen und es komme vor, dass es im ganzen Ort kein Bier mehr gibt und dass man in den vier Restaurants die Wahl zwischen Huhn und Eiern hat. Klingt nicht sehr unterhaltsam und ich durfte es auch erleben: Spätestens um 21 Uhr scheinen alle zu schlafen und es gibt auch kein Licht mehr.
Die Ruinen von Tikal sind wirklich sehr imposant, besonders durch ihre Lage mitten im Urwald. Es ist ein besonderes Gefühl, auf der „Plaza Mayor“ bzw. auf der Pyramide dort zu stehen und rundum sieht man diese mächtigen Zeugen einer geheimnisvollen Vergangenheit aus dem Dschungel ragen.
Am ersten Morgen stehe ich früh auf und marschiere auf einem Dschungelpfad durch den Nationalpark. Die Geräuschkulisse, welche die Vögel und Brüllaffen schaffen, ist gigantisch. Neben Affen, Vögeln und großen Ameisen, die interessant zu beobachten sind, sehe ich auch ein Wildschwein und eine rote Schlange huscht glücklicherweise davon, als ich mich nähere. Später erfahre ich, dass es wohl eine Korallenschlange war, angeblich eine der giftigsten Arten in dieser Gegend.
Belize
Von Tikal nach Flores und weiter zur Grenze nach Belize gibt es wieder mehrere Militärkontrollen zu passieren. Belize ist in der einen Nacht seinem schlechten Ruf, abgesehen von den Moskitos, nicht gerecht geworden. Keinerlei Belästigungen, viele Lokale sind geschlossen, wir sind enttäuscht, dass wir keine einzige Bar mit Musik finden.
Reise im Hochland
Nach der mexikanischen Grenze: Spektakulär schöne Berghänge, aber nicht schroff, da sie bis oben hin grün und die Gipfel abgerundet sind. In den Steilhängen, zwischen Gebüsch und Wald, kleben immer wieder kleine Maisfelder. Nun kann ich Berichten Glauben schenken, dass hier schon Bauern bei der Feldarbeit abgestürzt seien.
Der Bürgerkrieg ist sichtbar und spürbar. Auf dem Weg nach Huehuetenango stoßen wir auf insgesamt fünf gesprengte Brücken. Bei einer gibt es eine offenbar vom Militär errichtete Behelfsbrücke, drei sind nicht komplett unpassierbar oder wir können sie umfahren, bei einer müssen wir über Holzplanken und unter Stahlstreben über das Flussbett turnen, wo auf der anderen Seite ein anderer Kleinbus auf die Passagiere wartet.
Es gibt häufige Kontrollen durch das Militär, inklusive Leibesvisitationen, bei denen ich allerdings meist ausgelassen werde. Man begnügt sich damit, meine Kameratasche genau zu inspizieren. Und sie verlangen auch nie Geld, wie man immer wieder hören konnte, um den Reisepass wieder herauszugeben. Einmal wird der Bus auch von bewaffneten Männern in Zivilkleidung aufgehalten, auch hier müssen alle aussteigen, die Ausweise werden kontrolliert. Das ist noch unangenehmer, da ich keine Ahnung habe, mit wem ich es zu tun habe. Sind es Guerilleros, Paramilitärs, Straßenräuber? Alle Kontrollen verlaufen, abgesehen von den Anweisungen der Kontrollierenden, fast ohne Worte. Niemand wagt zu sprechen, die Angst ist fast greifbar.
Am Abend, in Huehuetenango, komme ich mit einem schon ziemlich betrunkenen Mann ins Gespräch. „Menschenrechte werden hier missachtet, das Militär kann tun, was es will“, sagt er. Aber selbst in seinem Suff spricht er leise und blickst sich immer wieder vorsichtig um.
Später lese ich, dass entlang der mexikanischen Grenze 26 Ortschaften dem Erdboden gleichgemacht wurden und es allein im Juli im Bezirk Huehuetenango 300 Tote gab.
Lago de Atitlán
Ein Bilderbuchsee, dessen glatte Wasseroberfläche zwischen blaugrau und grün wechselt. Am Rande drei Vulkane, die aussehen, wie man sich Vulkane vorstellt. Das Ufer rundum grün und ansteigend, darin verstreut ein Duzend Dörfer (Hauptort: Panajachel) mit größtenteils indigener Bevölkerung, die von Landwirtschaft, Fischfang und, hauptsächlich, Tourismus lebt. Allerdings soll dieser in den letzten zwei Jahren auf Grund der politischen Situation um 90 Prozent eingebrochen sein. Mir macht es nichts aus, dass ich nach zwei Tagen im Ort schon die meisten Gäste, zumindest vom Sehen, kenne.
Schuld ist, in offizieller Darstellung, zu einem großen Teil natürlich die falsche und bösartige Berichterstattung im Ausland. Den endgültigen Entschluss, doch nicht nach Quiché und Cobán zu fahren, fasse ich, nachdem ich um 6 Uhr morgens in Panajachel von zwei Salven aus automatischen Gewehren geweckt worden bin.
Die Tourismusflaute trifft nicht nur die Hotels und Restaurants, sondern auch die Geschäfte und Marktstände, die typische oder semitypische Kleidung verkaufen. Die letzten in der Reihe sind wieder die Produzenten, die weben, sticken und nähen, also die Indios, von denen man vielen ansieht, dass sie am Hungertuch nagen.
Die Farbenpracht der lokalen Trachten schlägt alles bisher gesehene. Fast jedes Dorf, lasse ich mir erklären, hat seine eigenen Besonderheiten und die Herkunft der traditionell gekleideten Menschen sei für die anderen Indígenas an der Kleidung ablesbar. Ich bin fasziniert und kaufe einige handgewebte Gürtel, Taschen und Huipiles, die typischen bunten, ponchoartigen Oberbekleidungen der Indiofrauen.
Ich lerne Peter kennen, einen Amerikaner, der nicht zum ersten Mal zum Einkaufen hier ist. Die bunten Textilien verkauft er auf Kunstgewerbemärkten in den USA. Er kennt sich bei den verschiedenen Trachten schon ganz gut aus und ist stolz, dass er auf einem Markt einige gebrauchte Stücke von einem Dorf ergattern kann, das von den Militärs angeblich mehr oder minder ausgerottet wurde. Da kommt kein Nachschub an Trachten mehr, das steigert den Wert der existierenden!
Es ist ein ungewohntes Gefühl, als auf der Straße ein betrunkener Soldat torkelnd seine Waffe auf mich richtet und nach dem Weg zum Strand fragte. Es ist das erste Mal und bislang einzige Mal in meinem Leben, dass ich mit einer Schusswaffe konfrontiert bin. Ich weiß noch, dass mir die Kombination von Trunkenheit und Schusswaffe Angst machte. Ich weiß aber nicht mehr, ob ich Todesangst hatte, ich glaube, ich war zu überrascht hatte keine Zeit dazu. Und so real der Soldat und das Gewehr waren, so irreal, da nicht vorhersehbar, war die Situation gleichzeitig für mich.
Aber glücklicherweise wusste ich ja die Antwort auf die Preisfrage: Gleich die nächste Gasse hinunter und dann nach rechts!
Tikal
Sehr schöner Flug von Guatemala City nach Flores. Der Übergang vom Hochland zur flachen, nur dünn besiedelten Landschaft des Petén im Norden Guatemalas ist gut zu erkennen. Immer ist es grün, nur wenige Straßen durchziehen das Land, der Boden gleicht, auch durch die Brandrodung bedingt, einem Fleckerlteppich in verschiedenen Grüntönen.
Auf dem Flug lerne ich eine Archäologin kennen, die in Tikal arbeitet und mir eine Mitfahrgelegenheit dorthin vermittelt. Tikal ist ein künstlicher Ort, der nur wegen der Ruinen existiert. Etwa 500 Menschen arbeiten dort im Nationalpark und bei Ausgrabungsprojekten. Nur wenige haben ihre Familien dabei und es dürfen keinen weiteren Familien dort hinsiedeln, erfahre ich. Die (meist jüngeren) Leute arbeiten 22 Tage und haben dann 8 Tage frei. Alkohol und vielleicht ein Joint seien so ziemlich die einzigen Zerstreuungen, denn es gebe nichts in Tikal. Alles muss von weit her gebracht werden, man kann nicht einmal Obst kaufen und es komme vor, dass es im ganzen Ort kein Bier mehr gibt und dass man in den vier Restaurants die Wahl zwischen Huhn und Eiern hat. Klingt nicht sehr unterhaltsam und ich durfte es auch erleben: Spätestens um 21 Uhr scheinen alle zu schlafen und es gibt auch kein Licht mehr.
Die Ruinen von Tikal sind wirklich sehr imposant, besonders durch ihre Lage mitten im Urwald. Es ist ein besonderes Gefühl, auf der „Plaza Mayor“ bzw. auf der Pyramide dort zu stehen und rundum sieht man diese mächtigen Zeugen einer geheimnisvollen Vergangenheit aus dem Dschungel ragen.
Am ersten Morgen stehe ich früh auf und marschiere auf einem Dschungelpfad durch den Nationalpark. Die Geräuschkulisse, welche die Vögel und Brüllaffen schaffen, ist gigantisch. Neben Affen, Vögeln und großen Ameisen, die interessant zu beobachten sind, sehe ich auch ein Wildschwein und eine rote Schlange huscht glücklicherweise davon, als ich mich nähere. Später erfahre ich, dass es wohl eine Korallenschlange war, angeblich eine der giftigsten Arten in dieser Gegend.
Belize
Von Tikal nach Flores und weiter zur Grenze nach Belize gibt es wieder mehrere Militärkontrollen zu passieren. Belize ist in der einen Nacht seinem schlechten Ruf, abgesehen von den Moskitos, nicht gerecht geworden. Keinerlei Belästigungen, viele Lokale sind geschlossen, wir sind enttäuscht, dass wir keine einzige Bar mit Musik finden.